Projekt Senegal: Open Source Hardware Kollaboration
Wissen sollte frei verfügbar sein – das ist der Grundgedanke hinter der “Openness”-Bewegung. Wenn das Wissen da ist, dann können Menschen überall auf der Welt damit Dinge gestalten. Als Kollektiv setzen wir uns ein für den freien Zugang zu Wissen für alle – und damit für mehr Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit.
Was ist Open Source?
Was mit offenen Quellcodes in der Softwareentwicklung begann wird mittlerweile in den unterschiedlichsten Bereichen weitergedacht. Unter dem Banner von Open Educational Resources (kurz OER) werden beispielsweise Lehr- und Lernmaterialien offen zur Verfügung gestellt, Open Building Initiativen veröffentlichen Konzepte für Häuser zum selber bauen, und im Internet finden sich zahlreiche Baupläne für Maschinen verschiedener Art, von Trecker bis Backofen.
Kurz und knapp: Was machen wir im Senegal?
Im Sommer 2017 waren drei unserer Mitglieder im Senegal und gaben dort einen mehrtägigen Workshop zum Thema Open Source Hardware. Ziel des Workshops war es, den Teilnehmenden elektrotechnische Grundlagen zu vermitteln und gemeinsam kleine Solarladeregler zum Aufladen von Handys oder Kameras zu bauen.
Im nächsten Schritt bauen wir eine langfristige Entwicklungskooperation mit Organisationen vor Ort auf. Regelmäßige Workshops und Kurse sowie eine digitale Lernplattform sollen Teilnehmende aus allen Gesellschaftsschichten Zugang zu technischem Wissen ermöglichen. Nach dem Motto “Hilfe zur Selbsthilfe” geben wir den Menschen vor Ort die Werkzeuge an die Hand, lokale Lösungen für lokale Herausforderungen (wie beispielsweise die Energieversorgung) in Zukunft selbst zu gestalten.
Konkret soll es in den nächsten Workshops darum gehen, die von der Open Source Community entwickelte Solarbox Libre Solar nachzubauen. Und zwar sowohl im Senegal, wo der regenerative Generator für die Stromversorgung in entlegenen Dörfern genutzt werden kann, als auch in Deutschland. Unser Open-Source-Missionar Michel entwickelt und baut mit seinem Team an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg die Box. Wir als Verein verwenden und verleihen sie dann in Karlsruhe als Generator für Veranstaltungen.
Unzureichende Stromversorgung und fehlender Zugang zu Bildung im Senegal
Das westafrikanische Land Senegal leidet an einer unzureichenden Stromversorgung und schlechter Stromqualität. Über 50 Prozent der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) haben keinen Zugang zu Strom, in ländlichen Regionen liegt der Wert bei bis zu 90 Prozent. Dabei trifft hohes geografisches Potenzial (viel Sonne 🙂 ) für erneuerbare Energien auf akuten Versorgungsmangel.
Der Bildungssektor ist geprägt von einer zunehmenden Diskrepanz zwischen dem niedrigen Bildungsstand der Mehrheit der Bevölkerung (50% Analphabeten) und einem Hochschulwesen auf beachtlichem Niveau. Viele Universitäten sind privatisiert und der Zugang zur Bildung für die untere Gesellschaftsschicht erschwert.
Durch die Vermittlung von angewandtem, technischem Wissen lässt sich im Senegal viel bewegen. Deshalb möchten wir Interessierten aus allen Gesellschaftsschichten das Wissen an die Hand geben, um dezentrale Energielösungen nach dem Open-Source-Prinzip selber zu entwickeln und zu bauen.
Was hat uns in den Senegal verschlagen?
Die Verbindung in den Senegal kam über unseren senegalesischen Freund Thierno zustande, den unsere Vereinsmitglieder Michel, Philipp und Marco in Karlsruhe kennenlernten.
Experimenteller Testlauf: Die erste Senegal-Reise 2017
“Wenn wir Thierno besuchen fahren, warum nehmen wir dann nicht einfach Materialien mit und geben dort einen Open Source Hardware Workshop?”, dachte sich Michel, unser Elektrotechniker bei Kollektiv Liebe. Die Verbreitung des Open Source Hardware Konzeptes ist seine Herzensangelegenheit. Er hat dazu auch einen Online Kurs an der Hamburg Open Online University (HOOU) entwickelt.
Ziele der Reise
- Finden von geeigneten Kooperationspartnern und Multiplikatoren, z.B. Bildungseinrichtungen
- Durchführen eines mehrtägigen Workshops: Vermittlung von theoretischem Wissen in Mathe, Physik, Elektrotechnik und regenerative Energiesysteme sowie Bau eines Solarladereglers
- Sensibilisierung für den Open Source Gedanken
- Feldforschung zur Akzeptanz des Projektes: Feedback der Menschen, ob das Projekt Sinn für sie macht
- Potenzialanalyse für Folgeprojekte
Was haben wir gelernt?
Die Senegal-Reise und der Workshop waren ein voller Erfolg. Als Projektpartner konnten wir die UNIVERSITÉ CHEIKH ANTA DIOP DE DAKAR (kurz UCAD, https://www.ucad.sn/) sowie das Kulturzentrum Africulturban )https://africulturban.wordpress.com/ ) gewinnen, wo wir den Workshop durchführten. Eine langfristige Kooperation zwischen der UCAD und der HAW Hamburg zum Thema Open Source befindet sich bereits heute im Aufbau.
Noch viel wichtiger ist uns allerdings das unglaublich beflügelnde Feedback der Workshop-Teilnehmer: “Die praktischen Übungen sind das Beste. Da erkennt man erst richtig, was man alles selbst machen kann. Im Senegal gibt es noch so viel anzupacken. Je mehr Menschen in der Lage sind, sich selbst und anderen zu helfen, desto besser”, sagte uns beispielsweise ein senegalesischer Elektrotechnik Student. Das macht Mut für mehr!
Einen ausführlichen Reisebericht und unsere Reflektionen könnt Ihr hier in unserer Veröffentlichung in der Welt am Sonntag (6. Mai 2018) nachlesen.
Ausbau der Kollaboration: Die zweite Senegal-Reise 2018
Im November 2018 waren wir wieder im Senegal, um die Kooperation auszubauen.
Ziele der Reise
- Ausbau der Hochschulkooperation (Uni Dakar und Uni HAW, Dakar <-> Hamburg)
- Kollaborationsplattform definieren
- Gemeinsames Projekt definieren
- Gemeinsame Konzeptionierung von dezentralen Energienetzen auf Basis von Solar Home Systems (SHS)
- Workshop im Cote Jardin (Facebook)
- Nachbau einer Solarbox auf Basis der OER Libre Solar (Collective Open Source Hardware)
- Kontakt/ Austausch zu weiteren Projektpartnern
Wie geht es weiter?
Der nächste Schritt wird die Entwicklung eines fortlaufenden Kursangebotes auf Open Education Basis sein, das TeilnehmerInnen die technischen Fähigkeiten vermittelt, Open Hardware Projekte selbständig zu reproduzieren und zu modifizieren. Der Fokus liegt dabei auf gesellschaftsrelevanter Technik, insbesondere in den Bereichen regenerative Energien, Produktionstechnik und Urban Gardening.
Die Universität UCAD wird zudem ein Energiemanagement-System auf Basis des Open Hardware Projektes Open Energy Monitor (https://openenergymonitor.org/) installieren, um den elektrischen Energiefluss der Universität zu messen und zu visualisieren. Ein interessantes Projekt besonders für Elektrotechnik Studenten, die an der Uni oft nur theoretische Vorlesungen ohne praktischen Anteil geboten bekommen.
Besonders wichtig ist uns der Bildungsaustausch zwischen den Gesellschaftsschichten. Daher beziehen wir kontinuierlich drei Hauptparteien in das Projekt mit ein:
- Bildung: Universitäten, Schulen, …
- Zivilbevölkerung: Fablabs, NGOs, Jugend- und Kulturzentren, Vereine …
- Unternehmen: Non-profit orientierte Unternehmen, Social Business
Alle im Rahmen unserer Aktivitäten erstellten Inhalte und Materialien werden mit CC-Lizenz (CC-by-sa 4.0) veröffentlicht. Das heißt: Die Inhalte dürfen von jedem kostenlos genutzt und abgedruckt werden, solange die Quelle und die CC-Lizenz genannt werden.
Finanzierung des Projektes
Als Verein unterstützen wir das Projekt Senegal mit Einnahmen aus unserem Charity Label sowie bei bestimmten Ausgaben mit Vereinsbudget (Rechtsgrundlage Vereinsrecht).
Abgesehen davon finanziert sich das Projekt Senegal durch Spenden. Gerne könnt ihr hier einen Taler ins Körbchen werfen:
Spenden Konto
Kollektiv Liebe e.V.
IBAN: DE628 306540 8000 479 4222
BIC: GENODEF1SLR
Betreff: Projekt Senegal